Schon wieder geht ein langer Arbeitstag zu Ende. Über zwölf Stunden habe ich geschuftet und eigentlich ist es schon an der Zeit ins Bett zu gehen. Es ist 22.00 Uhr, als ich meinen Schlüssel in die Wohnungstür stecke.
Aber jetzt schon ins Bett? Nein, dass kann ich nicht bringen. Also beschließe ich, den Tag noch mit einem Film ausklingen zu lassen. Ich entscheide mich für “Zusammen ist man weniger allein” mit Audrey Tautou.
Ich schrecke auf, geweckt von Getümmel auf der Straße und der Hupe eines Autos. Ich muss eingeschlafen sein. Aber ich liege nicht auf der Couch. Ich befinde mich auch nicht in meinem Bett. Ich schaue mich um und sehe ein liebevoll eingerichtetes Zimmer im 60er Jahre Stil. Nicht heruntergekommen, sondern eher stilvoll. Bodenlange Vorhänge verdecken das Fenster.
Ich laufe zum Fenster und öffne die Vorhänge. Mein Blick fällt auf eine kleine Straße in mitten von Montmatre, dem Künstlerviertel von Paris. Wie zur Hölle bin ich nur hierher gekommen? Ich erinnere mich nicht, meinen Koffer gepackt zu haben, geschweige denn ein Flugzeug betreten zu haben. Habe ich etwa einen Filmriss? Ich hab doch gar nichts getrunken.
Es ist ein Wechselspiel zwischen Spannung und Entspannung. Wie bin ich hierher gekommen? Aber auch ein Gefühl von Abenteuerlust und das Wissen heute nicht auf die Arbeit zu müssen. Wie auch? Hallo? Ich bin in Paris!
Ich springe unter die Dusche und werfe mich in bequeme Klamotten. Die Haare werde ich mir heute nicht machen, ich will es heute einfach nur ruhig angehen lassen. Ich kann mir ja irgendwo in einem der Souvenir-Läden eine Baskenmütze kaufen, dann fällt nicht so auf, dass ich heute faul sein will. NEIN, das mache ich natürlich nicht. Auf diese Weise würde ich mich sofort als Tourist outen. Das muss ja auch nicht sein.
Ich verlasse mein Zimmer, gehe eine alte Holztreppe hinunter und stehe in der Lobby des Hotels. Es ist keines dieser großen Hotelketten, sondern vielmehr ein kleines Familienhotel. Die Einrichtung versetzt einen zurück ins letzte Jahrhundert. Kein moderner Schnickschnack, keine Zimmerkarten sondern richtige Schlüssel hängen an einer Wand hinter dem Tresen an der Rezeption.
“Bonjour monsieur, have a pleasant day” ruft mir der Angestellte des Hotels hinterher, als ich das Haus verlasse. Ich drehe mich um, lächle ihn an und sage “Merci”.
Ich laufe durch kleine Straßen und Gassen und komme an einem kleinen Café vorbei. Im Fenster sehe ich allerhand süße Leckereien: Macarons, Eclairs und andere süße Gebäckspezialitäten. Die alte Dame, die im Café hinter der Auslage steht, beobachtet, wie ich mir die Nase am Fenster plattdrücke und winkt mich herein. “Bienvenue”. Oh Mann, ich ärgere mich ein wenig, dass sich mein Französisch auf wenige Worte beschränkt, mit Englisch komme ich hier nicht sehr weit. Aber mit Händen und Füßen geht es gerade so.
Ich bin verzaubert von diesem wunderschönen Lädchen mit all seinen Köstlichkeiten und entscheide mich ein kleines Frühstück einzunehmen. Ein “Le Petit Déjeuner”, wie mir die Dame erklärt. Sie heißt Nicolette, ist fast 90 Jahre alt und betreibt das kleine Café schon viele Jahrzehnte lang.
Alles wird von Ihr in liebevoller Handarbeit selbst hergestellt, Ihre Tochter Claudine hilft Ihr in der Backstube.Nicolette bringt mir einen Teller mit selbstgemachten Croissants, etwas Konfitüre und einen frisch gebrühten Milchkaffee an den Tisch und erzählt mir ein wenig von Paris und Montmatre. Ich verstehe nicht alles, die Verständigung gestaltet sich schwierig. Aber, wie gesagt mit Händen und Füßen geht es dennoch irgendwie. Ihre Croissants sind herrlich. Sie sind innen luftig und außen knusprig. Und schmecken herrlich buttrig.
Ich erzähle ihr, dass ich einen Backblog schreibe und sie zieht mich in ihre Backstube im hinteren Teil des Cafés. Claudine ist gerade dabei aus 250 Gramm Mehl, 25 Gramm zerlassener Butter, 1 Prise Salz, 1 Eigelb, 125 g kaltes Wasser, 250 Gramm kalte Butter und 25 Gramm Mehl Blätterteig herzustellen für die leckeren Croissants.
Sie siebt das Mehl in eine Schüssel, gießt flüssige Butter dazu und verknetet alles zu Bröseln. Dann fügt sie das Salz und das Eigelb hinzu. Mit den Händen verarbeitet sie alles zu einem glatten Teig, während sie nach und nach das kalte Wasser zum Teig gießt. Den fertigen Teig wickelt sie in Frischhaltefolie ein und stellt ihn für 30 Minuten kalt.
Die kalte Butter schneidet Claudine in kleine Würfel und bestäubt sie mit den 25 Gramm Mehl. Sie verknetet beides gründlich und legt es zwischen zwei Lagen Frischhaltefolie. Mit einem alten Nudelholz rollt sie die Butter zu einem Quadrat (19x19cm) und läßt sie ebenfalls im Kühlschrank gut 30 Minuten durchkühlen.
Den Teig rollt sie zu einem Rechteck von 20×40 cm aus und legt das Butterquadrat auf eine Seite des Teiges. Die andere Hälfte klappt sie darüber. Es ist wichtig, dass man die Teigränder gut andrückt, gibt sie mir zu verstehen. Dann rollt sie den Teig wieder zu einem länglichen Rechteck aus. Die Unterseite des Rechtecks schlägt sie zur Mitte hin um, mit der Oberseite mach sie das gleiche. Sie rollt den Teig abermals aus und wiederholt den Vorgang des Umklappens. Das Zusammengeklappte Teigpaket stellt sie wieder für 30 Minuten in den Kühler.
Nach dem Kühlen rollt sie den Blätterteig wieder länglisch aus und schlägt Ober- und Unterseite wieder ein, wie gehabt. Der Teig darf nun wieder 30 Minuten im Kühlschrank ruhen. Danach wird der Teig noch einmal ausgerollt.
Aus der Teigplatte schneiden Claudine und Nicolette Dreiecke aus und rollen diese zu kleinen Hörnchen. Im vorgeheizten Backofen werden sie bei 200 Grad etwa 15-20 Minuten gebacken bis sie goldbraun sind.Ich könnte noch stundenlang zuschauen, wie Claudine und Nicolette Süßes zaubern aber der Blick auf die Uhr verrät, dass die Zeit wie im Flug verging und ich will das schöne Wetter nutzen um Paris zu erobern. Ich verabschiede mich mit einer Umarmung und schlendere weiter durch das Viertel.
Auf dem “Place du Tertre” stellen Maler ihre Werke aus. Ich bin überwältigt von den Kunstwerken und beobachte wie die Künstler Portraits, Karikaturen und Scherenschnitte vor den Augen der Besucher fertigen. Ein wenig erinnert es mich an den “Covent Garden” in London, wo ich oft saß und das schöne Wetter genoß, als ich noch in London lebte.
Bei nächster Gelegenheit nehme ich den Bus und fahre in die Stadt. Ich muss zum Eiffelturm! Paris ohne sein Wahrzeichen besucht zu haben, wäre ein Ding der Unmöglichkeit. Als ich davor stehe, muss ich staunen. So gewaltig habe ich mir dieses Bauwerk nicht vorgestellt. Ich entscheide mich dagegen den Turm zu besteigen, auch aufgrund der Tatsache, dass ich wenig Lust habe mich in die Schlangen von Touristen einzureihen. Aber allein schon einmal davor gestanden zu haben und hinaufzublicken ist es mehr als wert.
Ich suche mir wieder ein Plätzchen in einem Café und bestelle mir erst einmal einen Café au lait. Dazu bekomme ich leckere Eiffelturm Kekse. Sie sind aus Mürbeteig, der aus 200g Butter, 125g Zucker, 1 Ei und einem Päckchen Vanillezucker gemacht wurde.Ich genieße den Kaffee in vollen Zügen und kann mein Glück immer noch nicht fassen. Was muss ich unbedingt noch sehen? Auf jeden Fall muss ich Mona Lisa im Louvre einen Besuch abstatten. Ich zahle meinen Kaffee und laufe entlang der Champs-Élysées, vorbei an den vielen Geschäften und Restaurants. Hier werde ich heute Abend die französiche Küche probieren, das ist klar.
Ich entdecke einen “Hop on – Hop off” Touristenbus und kaufe mir einen Fahrschein. Der Bus fährt die Sehenswürdigkeiten der Stadt ab und so sehe ich möglichst viel von der Stadt der Liebe. Am Louvre “springe ich ab”. Das ist sie also: Da Vincis Mona Lisa. Es ist erstaunlich, wie einen ein Gemälde nach über 500 Jahren immernoch beeindrucken kann. Ich bewundere neben der “Venus von Milo” noch viele andere uralte Skulpuren und bestaune Gemälde von Dürer, de la Tour und dutzenden anderen alten Meistern.
Nun wird es aber Zeit für’s Abendessen. Ich verlasse den Louvre und mache mich wieder auf den Weg zur Champs-Élysées. Dort will ich mir Coq au vin schmecken lassen. Bei dem Gedanken daran läuft mir schon das Wasser im Mund zusammen.
Doch was ist das? Ich höre ein grelles sirenenartiges Geräusch. Es klingt fast so wie mein Wecker.
Wie betäubt öffne ich meine Augen. Ich liege auf meiner Couch.
Es war alles nur ein Traum: Montmatre, Nicolette, Claudine, der Eiffelturm, Mona Lisa…
Aber es fühlte sich doch alles so real an!
Die Enttäuschtung ins Gesicht geschrieben, erhebe ich mich von der Couch und mache mich auf dem Weg ins Bad. Ich muss mich fertig machen für die Arbeit. Dabei will ich einfach nur zurück nach Paris.
Vielleicht geht mein Traum aber doch in Erfüllung. Denn Heimgourmet sucht kulinarische Botschafter für den ParisFoodTrip. Mit viel Glück wird mein Traum also vielleicht Wirklichkeit. Ich würde mich freuen!
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